Laura Bott
Geboren am 04.06.1979 in Santa Maria, Val Müstair.
Lebt und arbeitet in Ardez.
In ihrer Arbeit untersucht Laura Bott die Veränderung der verschiedenen Materialien: vom flüssigen zum festen, von Malerei zur Skulptur. Die Künstlerin entwickelt ihre Werke aus simplen oder wiederverwerteten Materialien. Sie befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen einer biologisch-ganzheitlichen und einer geometrischen Seele.
Corsin Fontana: «Mit gleichem Abstand»
Komposition von 22 Werken
Der in Chur geborene Künstler Corsin Fontana arbeitet seit 1967 freischaffend in Basel und liess im Laufe der Jahre kontinuierlich sein OEuvre entstehen. Sein neunmonatiger Aufenthalt in der Cité internationale des arts in Paris zwischen 1969 und 1970 und sein Wirkungskreis im alpinen Raum finden Einfluss in sein Werk.
Fontanas Schaffen begleitet ab den 1980er Jahren eine Hinwendung zur geometrischen Abstraktion, die auch in der hier ausgestellten Kompositionsreihe «Mit gleichem Abstand» auffällt. Die 22 Ölkreidezeichnungen aus dem Jahr 2005/06 beinhalten eine abstrakte Auseinandersetzung mit Licht- und Zeiträumen und können als eine Weiterentwicklung der 18 Zeichnungen «Offene Räume» (2003) verstanden werden.
Während die vorangegangene Komposition vor allem mit rhythmischen Akzentverschiebungen arbeitet, bilden die immer unterschiedlichen Unterbrechungen des Mäanders vielmehr eine gleichmässige Rhythmik, eine Art monochrome Musik.
«Trotz der Zweidimensionalität ist den Werken eine starke Körperlichkeit und räumliche Dimension eigen».1 Es entsteht ein rasterartiges Wechselspiel zwischen dunklen Strichen und hellem Grund, wobei die unterschiedlich eingesetzten Horizontalstreifen dem Licht mal mehr und mal weniger Ausdehnung ermöglichen. Das Hochformat sorgt zudem für eine fliessende Dynamik, die das Raum-Zeit-Kontinuum in ihrer Abfolge als Gesamtkomposition verstärken.
Fontana bearbeitet das leicht getönte Papier mit Ölkreide bis an die Ränder und achtet dabei auf eine Gleichmässigkeit der Strichbreite, um keinerlei Perspektivverschiebung zu erzeugen. Das Schwarz der Kreide kommuniziert mit dem strukturierten Papier und es findet eine Verzahnung zwischen hell und dunkel statt, die sich jedoch nicht in Grautönen auflöst. Dem Betrachter bleibt es daher überlassen, ob sich die Farben gegenseitig verdrängen oder ergreifen und ob die dunklen oder die hellen Elemente vor den anderen liegen.
Esther und Christian Stutz, Basel 2019
Giuliano Pedretti (* 23.2.1924, † 9.1.2012)
Giuliano Pedretti wächst als ältester Sohn des Malers Turo und der Sängerin Marguerite Pedretti‐His in Samedan im Oberengadin auf. Lieder von Debussy und Schubert, Bilder von Edvard Munch und James Ensor prägen den jungen Pedretti. 1942–43 Besuch der Kunstgewerbeschule Zürich. Wichtige Impulse erhält er von Ernst Gubler, der oft bei der Familie Pedretti in Samedan weilt, Alfred Willimann und Ernst Georg Rüegg. Durch seine Farbenblindheit am Eintritt in die Grafikerklasse gehindert, fasst Pedretti den Entschluss, Bildhauer zu werden. Sein Vater, der in den 1910er‐Jahren im Bildhaueratelier von Richard Kissling arbeitete, bringt ihm die wichtigsten bildhauerischen Techniken bei. 1943 erster Besuch in Maloja bei Alberto Giacometti, den er ab 1953 wiederholt in Paris aufsucht. Die Familien Giacometti und Pedretti sind einander freundschaftlich verbunden; Giuliano Pedretti erkennt in Alberto Giacometti seinen «Massstab». 1949 ist er Stipendiat des neu gegründeten Schweizerischen Instituts in Rom. Am 21. Januar 1951 zerstört eine Lawine das elterliche Haus in Samedan. Pedrettis Jugendwerk geht fast gänzlich verloren; er selber wird bewusstlos geborgen. Nach diesem existenziellen Erlebnis setzt Pedrettis «atemberaubende künstlerische Entwicklung» (Neue Zürcher Zeitung, 8.1.2005) ein. 1952 Bezug des neuen Hauses und Ateliers in Celerina.
Das Werk umfasst seit 1940 mehr als 500 Plastiken und lässt sich in Phasen einteilen.
1. «Dreidimensionalität» (1940–1980): in klassischer Manier gearbeitete dreidimensionale Porträts. Seit den 1950er‐Jahren rückt Pedretti von der Anatomie ab, modelliert unter dem Einfluss von Auguste Rodin und Medardo Rosso das Licht anstelle des Gegenstandes und entwickelt eine impressionistische Darstellungsweise.
2. «Eindimensionalität» (1980–85): Flache Figuren, aus der Zeichnung entwickelt, werden auf eine Glasscheibe modelliert, abgegossen und als armiertes Positiv frei im Raum aufgestellt.
3. «Dreidimensionalität ohne Volumen» (1985–87): Zwei Seiten einer Figur werden aneinandergefügt; die Figur kann wieder umschritten und nicht nur frontal betrachtet werden.
4. «Von der Vertikalen zur Schräge» (ab 1988): Durch zwei Schrägen, eine seitliche und eine nach hinten oder vorne, erhalten die Werke einen autonomen Raum und stellen den Standort des Betrachters in Frage. An der Wand fixiert, bringen sie den realen Raum zum Kippen.
5. «Schizo» (ab 2001): Im dynamischen Spätwerk führt die Asymmetrie, die auf der unter‐schiedlichen Behandlung der Licht ‐und der Schattenseite beruht, zur effektiven Spaltung der Figuren. Pedretti trennt die Kopf ‐ und Körperhälften durch einen Abstand, eine Leere, die einerseits das Schizophrene im Menschen entlarvt und andererseits zur Entstehung eines gleichsam schwerelosen Volumens führt.
Neben seiner bildhauerischen Arbeit engagiert sich der Künstler für die Erhaltung der romanischen Kultur: 1988 Gründung des Kulturarchivs Oberengadin (mit Dora Lardelli) und 1995 Errichtung des Andrea Robbi Museums in Sils Maria. Zahlreiche Sgraffito‐Arbeiten an Häusern und Kirchen. Von Jachen Ulrich Könz in die Sgraffitotechnik eingeführt, gilt Pedretti als Experte auf diesem Gebiet. «Es geht um das Schöpferische – etwas künstlich Lebendiges, um eine Gegenkraft zur Natur, um ein geistiges Über ‐ und Weiterleben gegen den Zerfall der Welt, gegen den Tod und die Zeit», notiert Pedretti 1976. Sein erster Käufer ist Georges Bloch, Freund und Sammler von Picassos grafischen Arbeiten. – Am 9. Januar 2012 stirbt Giuliano Pedretti an den Folgen eines Autounfalls.
Ulrich Suter